Beispiele einer erfolgreichen Niedrigpreisstrategie

Autor on 5. Juni 2014 in Produktmanagement mit 0 Kommentare

Ziel einer Niedrigpreisstrategie ist der Absatz großer Mengen und damit verbunden eine hohe Marktdurchdringung sowie Sicherung entscheidender Marktanteile. Der gebotene Preis liegt deutlich unter dem der Wettbewerber und ist das Alleinstellungsmerkmal. Aus Sicht des Produktnutzen offeriert der Anbieter eine Produktfunktionalität und -qualität, die den Anforderungen der Nachfrager noch genügt und somit ein exzellentes Preis-/ Leistungsverhältnis gewährleistet.
Angewendet wird diese Strategie meist in B2C-Märkten. Etablierte Niedrigpreisanbieter sind Motel One, Ibis Budget oder Accor im Hotelgewerbe, Fluggesellschaften wie Ryanair oder EasyJet, Mobilfunkdiscounter wie Fonic, blau oder Simyo, der Automobilhersteller Dacia, Möbelhersteller wie Ikea und Poco oder die Lebensmittelmärkte Aldi und Lidl. Voraussetzung für eine erfolgreiche Niedrigpreisstrategie ist erstens, dass der Anbieter die Position der Kostenführerschaft aufbaut und sichert. Zweite Bedingung für den Erfolg ist, dass es sich um einen Markt mit einer hohen Preissensibilität der Nachfrager handelt. Dieses bedeutet Preisänderungen führen zu signifikanten Nachfrage- und Umsatzänderungen. Tendenziell sind dies reife Märkte ohne Innovationen. In innovativen Marktsegmenten ist die Preissensibilität eher niedrig, da der Nutzen überzeugt und die Konkurrenz noch überschaubar ist.
Unternehmen mit einer erfolgreichen Niedrigpreisstrategie gelingt es durchaus eine höhere Rentabilität als ihre Konkurrenz zu erzielen. Im Jahr 2013 erwirtschafteten Ryanair und Lufthansa ein operatives Ergebnis von ca. 700 Mio. €. Lufthansa benötigte hierfür einen Umsatz von 30 Mrd. € und Ryanair schaffte dies mit 5 Mrd. € Umsatz.

Die spezifischen Kennzeichen einer Niedrigpreisstrategie sind:

Produktnutzen/Produktqualität: Beispiele Dacia, Ryanair und Ikea

Das Konzept der Niedrigpreisstrategie besagt No Frills, also keinen Schnick-Schnack. Die Produkte erhalten die Mindestausstattung. Der absolute Fokus der Produkte liegt auf den Kernfunktionen wie Fliegen von A nach B, einfach mobil zu Telefonieren oder praktische Fahrten zum Einkaufen und zur Arbeit. Diese Funktionen werden zur vollen Zufriedenheit der Kunden erfüllt.

Dacia bietet Mobilität mit dem eigenen Fahrzeug. Ein Hingucker sind die Fahrzeuge nicht. Dacia spart drastisch in der Basisausstattung bei Motorleistung, elektrischen Fensterhebern, Radio, Klimaanlage und sogar den Kopfstützen. Andererseits bietet Dacia zweckmäßigen Nutzen mit adäquaten Lademöglichkeiten und Fahrzeuge, die auch durch eine schwächere Motorisierung, sparsam im Verbrauch sind. Die Kunden stört das nicht, sie sind zufrieden mit ihrem Dacia, wie der ADAC in seinem Kundenbarometer 2013 festgestellt hat.

Die Leistungsvereinfachung ist der Schlüssel zur Kostensenkung. Das zweite Beispiel ist Ryanair. Ryanair bietet ausschließlich Flüge im Kurz- und Mittelstreckenbereich. Geflogen wird von kleineren dezentralen Flughäfen. Der Reiseverkehr läuft reibungslos. Alle Extras wie Zeitungen, Getränke und Mahlzeiten sind kostenpflichtig. Auch das Aufräumen der Passagiere ist erwünscht. Die Mehrheit der Passagiere ist unter 30, wählt die Gesellschaft wegen des Preises, ist durchaus mit dem Service zufrieden und fliegt deshalb auch häufiger mit Ryanair.

Als drittes Beispiel sei Ikea erwähnt. Kaum ein junges Paar oder Familie mit Kindern kommt ohne Ikea aus. Ikea bietet der Familie eine Angebotsspektrum mit vielen relevanten Einrichtungsgegenständen. Die Qualität ist solide. Viele IVAR- oder BILLY-Regalsysteme haben 2 Generationen überlebt. In manchen Segmenten wie Regale, Sessel oder Küchenausstattungen  führt für den kostenbewussten Kunden kein Weg an Ikea vorbei. Der Do-It-Yourself-Charakter stört den Kunden nicht.

Produktportfolio

Niedrigpreisanbieter begrenzen ihr Portfolio. Dienstleistungen oder zusätzliche Services sind nicht im Angebot oder aber durchaus teuer bepreist. Vielfalt und Varianten führen zur Komplexitätskosten, so dass die Vermarktung von Extras nicht das primäre Ziel ist. Klare Priorität haben die Produkte mit hohen Stückzahlen und entsprechendem Kapitalumschlag.

Prozesse: Beispiel Dacia, Aldi und Ryanair

Die Prozesse sind konsequent auf Kostenoptimierung ausgelegt. Der Schlüssel sind Mengen. Große Mengen im Einkauf, große Menge in der Fertigung und der Logistik schaffen die Möglichkeit eine konkurrenzlose Kostenposition zu schaffen. Eventuelle Entwicklungen dienen der Kostensenkung. Hinzu kommen niedrigste Kosten in der Verwaltung und dem Vertrieb. In der Regel erfolgt eine Beschränkung auf  einen Vertriebsweg, der beliebig häufig multipliziert wird. Für die Vermarktung spielt das Internet mit E-Commerce eine weitere Schlüsselrolle.

Dacia liegt mit seinen Kosten rund 50% unter denen vieler Wettbewerber. Wichtigster Ansatz ist das Baukastenkonzept. Dacia verwendet einen Großteil der Fahrzeugkomponenten aus älteren Renault-Modellen. Dies vermeidet Entwicklungsaufwendungen, nutzt die Mengenvorteile im Einkauf und gewährleistet die Qualität. Innovationen sind nicht vorgesehen. Hinzu kommen die beschriebenen Leistungsvereinfachungen, niedrige Fertigungslöhne in Rumänien und fast vernachlässigbare Verwaltungskosten. VW tüfftelt schon seit mehreren Jahren an einem No Frills-Konzept mit einer Billigmarke im Unternehmen. Die Produktion soll wohl in Indien oder China sein. Die Entscheidung steht noch aus. Anscheinend ist die Kostenposition von Dacia eine echte Hürde für VW.

Aldi optimiert seine Kosten über das begrenzte Sortiment mit vielen Eigenmarken und jeweils hohen Umsätzen. Diese Produkte bezieht Aldi häufig von Markenartiklern die ihre Kapazitäten ausschöpfen wollen und deshalb preisgünstig OEM-Produkte anbieten. Abgerundet wird das Aldi-Portfolio durch einige wenige Markenprodukte. Der Kapitalumschlag von Aldi ist 3-mal so hoch wie der Wettbewerber und die Personalkosten liegen im Vergleich bei der Hälfte.

Ryanair setzt insbesondere auf neueste Flugzeuge, hohe Flugstunden/Auslastung und niedrige Flughafengebühren. Geflogen wird fast ausschließlich die Boeing 737-800. Die Vorteile sind riesig. Der Einkaufpreis passt zu den Bestellmengen, die Verbrauchskosten der Flugzeuge sind niedrig und die Wartungs- und Ausbildungskosten können entsprechend optimiert werden. Entscheidend ist auch die Auslastung, die bei Ryanair über 80% liegt. Konkurrenzlos sind die Flugzeiten, bei denen das Geld verdient wird. Ryanair schafft auf der Basis kürzester Standzeiten am Boden im Vergleich zum Wettbewerb 30% mehr Flugstunden. Die Nutzung von kleineren kostengünstigen Flughäfen komplettieren das Konzept.

Preise/Image: Beispiel Fonic und Motel One

Erfolgsfaktoren sind der dauerhaft niedrige Preis und die Preistransparenz. Dieses erübrigt Sonderangebote, Promotion-Aktivitäten und macht Rabattschlachten überflüssig. Über die Zeit wird das Preisimage als preisgünstiger Anbieter belegt und die Notwendigkeit permanenter Werbekampagnen entfällt. Eine weitere Komponente eines Niedrigpreisanbieters sind seine einfachen Vermarktungsstrukturen.

Fonic, ein Mobilfunk-Discounter, bietet genau 6 anwendungsabhängige Tarife an. Es gibt Vertragslaufzeiten von einem Monat und abgewickelt wird über das Internet. Die Auswahl und Entscheidung ist, abgesehen vom Wettbewerbsvergleich, eine Minuten-Thematik. Mischmodelle mit Handys, wildesten Tarif-Konstellationen und Vertragslaufzeiten entfallen. Der Werbeslogan zur Unterstützung lautet passend „Einfach, Fair und Günstig“. Bei der Telekom ist das Zählen der Tarife schon eine Herausforderung und eine richtige Entscheidung ohne Fachberatung und Glaskugel für die wahrscheinliche Nutzung fast unmöglich.

Motel One ist neuer Star in der Low Cost-Hotelbranche. Adressiert werden Geschäftsreisende mit Hotels in der Innenstadtlage. Die Preise sind aggressiv niedrig. Die Philosophie und das Motto ist „Viel Design für wenig Geld“, so dass kein Billig-Image entsteht und die Hotelkette weiter erfolgreich expandiert.

Die meisten genannten Unternehmen verzichten fast vollständig auf Werbung und wenn dann steht der Preis im Vordergrund. Aldi hat viele Jahre ausschließlich mit seinen schlichten Angeboten der Woche operiert. Als Werbemedium verwenden die genannten Hotels, Fluggesellschaften und Mobilfunkanbieter primär den eigenen Internet-Auftritt und zeigen ihre Preise unmittelbar auf der Startseite.

Beeindruckend ist immer wieder der unternehmerische Erfolg, den Aldi, Dacia, Ryanair, Motel One usw. erzielen und sie gegenüber vielen Konkurrenten überlegen sein lässt. Allerdings ist, aufgrund der Skalierungseffekte, die Zahl der möglichen erfolgreichen Niedrigpreisanbieter begrenzt und die Konsequenz in den Kostenreduzierungen manchmal auch brutal.

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